Kristina Milz

KRISTINA MILZ IST ZEITHISTORIKERIN, BIOGRAFIN UND FREIBERUFLICHE AUTORIN

Afghanistan

PORTRÄT ÜBER JAMAL NASSER MAHMOUDI

EINER AUS 69

„Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag – das war von mir nicht so bestellt – sind 69 Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden. Das liegt weit über dem, was bisher üblich war.“

Bundesinnen- und Heimatminister Horst Seehofer sagte dies 2018 bei der Vorstellung seines lange angekündigten und mit Spannung erwarteten „Migrationsplans“ in Berlin. Zuvor beschäftigte sich die Republik mit seiner Rücktritts„drohung“ und schließlich mit der wahrgemachten Drohung seines Nicht-Rücktritts, was die Arbeit der Großen Koalition tagelang lahmlegte. Seehofer, offenbar auch in den angespanntesten Situationen stets für einen Scherz zu haben und mindestens genauso gut informiert, feiert seine Geburt jährlich am 4. Juli. Der Abschiebeflug, über den er sprach, ging aber bereits am Tag zuvor. Der 4. Juli, sein Geburtstag, ist für eine afghanischstämmige Familie im Iran jedenfalls sicher kein Tag zum Feiern mehr. Es ist der Todestag von Jamal Nasser Mahmoudi, einem 23-jährigen Mann, der lange in Deutschland lebte, bevor die Politik sich entschied, ihn in die Hauptstadt Afghanistans zu bringen

IN: TODESURSACHE: FLUCHT. EINE UNVOLLSTÄNDIGE LISTE, BERLIN 2023 (3. AUFLAGE)

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PORTRÄT ÜBER MADINA HUSSINY

„WENN ICH GANZ EUROPA BESITZEN WÜRDE, WÜRDE DAS NICHTS DARAN ÄNDERN, WIE ICH MICH FÜHLE“

Erinnert ihr euch noch, wie sie mit ihren Augen immer direkt ins Innere der Menschen hineingeschaut hat? Und wie sie gelacht hat, als sie eine Tafel Schokolade auf den Heizkörper gelegt und sich das ganze Gesicht damit vollgeschmiert hat? Wie sie sich ihre Finger mit deinem Nagellack bis zu den Knöcheln hin angemalt hat?

Es sind Geschichten, wie sie in vielen Familien erzählt werden, immer und immer wieder, bis keiner mehr weiß, was genau passiert ist und was die vielen Schichten des Erzählens später hinzugefügt haben. Muslima und Rahmat Hussiny aus Afghanistan haben diese Geschichten über ihre Tochter Madina im Kopf, wenn sie an sie denken. Sie haben sie einem Journalisten des österreichischen Nachrichtenmagazins profil erzählt. Die Eltern trauern, denn das quirlige Mädchen mit den großen braunen Augen ist tot. Ganz allein ist sie gestorben, in einem Krankenhaus an der serbisch-kroatischen Grenze…

IN: TODESURSACHE: FLUCHT. EINE UNVOLLSTÄNDIGE LISTE, BERLIN 2023 (3. AUFLAGE)

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PORTRÄT ÜBER ALIREZA, MOHAMMED UND HAMID

„ICH MUSS ES SEHEN“

„Es ist mir lieber, wenn ich die Unfallbilder sehe, egal ob zertrümmert, keine Knochen mehr, ob Fleisch, Körperteile, Haut oder nur Kleidung. Ich muss es sehen.“ Die Frau, die auf der Polizeiwache in Veles diese Sätze spricht, ist verzweifelt. Seit drei Jahren wird ihr Sohn vermisst. Er verschwand an dem Tag, an dem ein Zug in Nordmazedonien junge Afghanen und Somalier überrollte und 14 Menschen aus dem Leben riss. Alles deutet darauf hin, dass auch ihr Sohn unter den Opfern ist. Die Mutter aber braucht Gewissheit. Dieses Gefühl teilt sie mit vielen Angehörigen von Menschen, die auf der Flucht nach Europa verschwunden sind. Und sie teilt es mit etlichen anderen Afghaninnen und Afghanen, die inzwischen in Deutschland leben und nicht wissen, ob ihre Familienmitglieder bei dem Zugunfall im April 2015 ums Leben kamen. Mit einem ARD-Filmteam machen sich drei Familien 2019 gemeinsam auf die Suche nach drei jungen Männern: Alireza, Mohammed und Hamid…

IN: TODESURSACHE: FLUCHT. EINE UNVOLLSTÄNDIGE LISTE, BERLIN 2023 (3. AUFLAGE)

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PORTRÄT ÜBER SHAFIQA TEMORI

MEINE GENIALE FREUNDIN

Shafiqa bedeutet „die Mitfühlende“. „Sie war sehr respektvoll, aber sie war misstrauischer als ich“, sagt Mahbuba Maqsoodi. Und dann setzt die Münchner Künstlerin zu einer Geschichte über eine Freundschaft an, über die sie lange nicht gesprochen hat. Sie trägt die Erinnerung nicht auf der Zunge, aber sie trägt daran in ihrem Herzen.

Herat, Afghanistan, in den 1940er Jahren. Shafiqas und Mahbubas Väter besuchen dieselbe Schule. Die Familien der beiden Jungen symbolisieren unterschiedliche Gesellschaftsschichten: Shafiqa Temoris Vater, ein Jurist und Diplomat, entstammt dem grundbesitzreichen Bürgertum, der andere ist Sohn eines Intellektuellen…

IN: TODESURSACHE: FLUCHT. EINE UNVOLLSTÄNDIGE LISTE, BERLIN 2023 (3. AUFLAGE)

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MINDERJÄHRIGE FLÜCHTLINGE IN MÜNCHEN

„ALS OB WIR TIERE WÄREN“

Auf seiner Flucht nach München wurde er verprügelt und eingesperrt. Gerade 16 Jahre war der Afghane Ahmad A. damals alt. Heute hat er ein neues Leben in Deutschland, doch seine Vergangenheit beschäftigt ihn noch immer.

IN: SÜDDEUTSCHE.DE, 5.10.2011

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